26. April 2021

Der Verein Phari hilft schnell und unbürokratisch.

Armut, Flucht, Geldmangel, Hunger: Jeden Tag hören die Mitarbeiterinnen vom Hilfsprojekt Phari die Lebensgeschichten von Menschen mit ihren berührenden Schicksalen.

Ein Bericht von Daniel Aenishänslin

Sie liegen für Gabi Huber und Brigitte Marques nahe beieinander. Schmerz und Genugtuung. Die beiden Frauen leiten das Hilfsprojekt Phari mit Lokalen in Therwil und Reinach. Ein Projekt, das Menschen unterstützt, die sich am finanziellen Abgrund befinden. Zum Beispiel mit Nahrungsmitteln. Das bringt Huber und Marques in Kontakt mit bedrückenden Lebenswendungen. «Die Schwelle ist hoch, ein erstes Mal zu uns zu kommen», ist sich Huber der Schamgrenze Bedürftiger bewusst. Und Marques ergänzt: «Viele weinen. Sie sagen sich, ich bin jetzt so weit unten angekommen, dass ich mir Lebensmittel schenken lassen muss.»

Genugtuung verschafft Gabi Huber und Brigitte Marques, «der Gesellschaft etwas zurückzugeben». Oder schlicht morgens in den Spiegel schauen zu können, wie es Marques formuliert. «Dann kann ich zu mir sagen, du hast es wenigstens versucht, dass es anderen Menschen besser geht», sagt sie zu sich. «Das Leben wäre viel einfacher, wenn wir uns alle gegenseitig helfen würden.» Seit dem vergangenen Jahr arbeiten die beiden im 50-Prozent-Pensum für den Verein, den sie 2015 gründeten. Beide haben sie eine Ausbildung in Mediation. Gabi Huber ist zudem Tanzlehrerin, Brigitte Marques Karatelehrerin. Helferinnen und Helfer unterstützen sie.

Das Messer am Hals

Gegründet haben Marques und Huber den Verein, weil sie plötzlich feststellten, wie in ihrem privaten Umfeld einige in «massivste finanzielle Schwierigkeiten» gerieten. Leute, die ihre Wäsche in der Badewanne waschen mussten, weil die Waschmaschine nicht geflickt oder ersetzt werden konnte und das nötige Kleingeld fehlte. Menschen am Existenzminimum, die sich weder den Zahnarztbesuch noch die nötige Brille leisten konnten. Hinzu kommen die Spuren der Pandemie: Gabi Huber erzählt von einer alleinerziehenden Kellnerin, die noch 80 Prozent Lohn aus ihrer gerade inexistenten 60-Prozent-Anstellung bezieht. Die 300 bis 400 Franken Trinkgeld monatlich fallen auch weg – sie hat das Wasser bis zum Hals. «Dann springen wir ein», sagen Marques und Huber.

66 Haushalte werden in Therwil mit «Wuchegugge» versorgt, 58 sind es in Reinach. Pro Kopf stecken darin Waren im Wert zwischen 50 und 60 Franken. Geld fliesst keines. Auch nicht, wenn eine Stromrechnung offen ist. Dann wird die Rechnung beglichen. Direkt. Deshalb mögen die Phari-Helferinnen Unterstützung am liebsten in Form von Barem. Ein Spendenformular findet sich auf der Website. Lebensmittel bezieht der Verein von der Schweizer Tafel und seit kurzem vom Lieferdienst der Caritas. Der Gönnerverein Phari «gibt uns Planungssicherheit», sagt Gabi Huber. Die Miete übernimmt eine «grosszügige Dame aus Basel», die Löhne finanziert eine Stiftung. Unterstützung gabs zudem von der Glückskette. Im «Birsigtal-Boten» darf der Verein seine neuesten Informationen platzieren.

Ein kleines Stück Normalität

Eine wichtige Form der Begegnung ist das im Lokal integrierte Bistro. Was die Bäckerei Grellinger an Patisserie bis zum Abend nicht verkaufen kann, landet auf dem Bistrotisch. Kostenlos, zusammen mit einem Kaffee oder Tee. Marques bezeichnet dies als «ein Stück Normalität». Begegnung auf Augenhöhe will sie es jedoch auf keinen Fall nennen. «Das wäre ein Armutszeugnis für jede Gesellschaft», argumentiert sie, «egal, wer mit wem spricht, auf Augenhöhe muss das Gespräch immer stattfinden.»

Phari stösst an seine Kapazitätsgrenzen. Nicht zuletzt wegen der Pandemie, in der die Nachfrage nach Unterstützung deutlich gestiegen ist. Nachgedacht werde über zusätzliche Öffnungszeiten in Therwil und Reinach oder weitere Lokalitäten in Binningen oder Bottmingen. Gerade Seniorinnen und Senioren nutzen das Angebot stärker. «Altersarmut ist ein Riesenthema», sagt Gabi Huber. Doch kämen die Senioren wohl auch, weil sie die Begegnung suchten. Etwas, was die Pandemie zusätzlich zurückgedrängt hat. Ein weiterer Grund, warum Marques und Huber hoffen, das Bistro bald wieder in Betrieb nehmen zu dürfen.

Das Unsagbare

Neben all den Schwierigkeiten im Phari-Alltag komme doch viel zurück, und Dankbarkeit sei in den Augen der Menschen zu sehen, denen sie Hilfe anbieten können, sagen Marques und Huber. Es werde ihnen Vertrauen entgegengebracht, sogar in sehr schwierigen Momenten. «Wir kennen viele Fluchtgeschichten von Flüchtlingen», erzählt Huber. «Viele sind traumatisiert und können kaum darüber sprechen, was ihnen zugestossen ist», gibt Brigitte Marques zu bedenken. «Es hilft schon immens, wenn wir zuhören, warum es ihnen nicht gut geht.» Genugtuung und Schmerz – oft liegen sie für Gabi Huber und Brigitte Marques nahe beieinander.

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